Web-Evaluation. Wie geht das eigentlich genau?

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Ich habe in diesem Blog schon einige Webseiten ein wenig unter die Lupe genommen. Wer mit Usability-Methoden nicht ganz so vertraut ist, wird die Berichte vielleicht ein wenig willkürlich oder nicht so einfach zu verstehen gefunden haben (was sicher auch daran liegt, dass ich in diesem Rahmen keinen kompletten Kriterien-Katalog abarbeiten kann und mich daher immer auf einige, wenige Punkte konzentriere). Wir sind schon mit den ersten Einträgen direkt in medias res gegangen, aber ich möchte die Grundlagen nicht vernachlässigen. Daher wird es nun in loser Folge immer wieder mal Erklärungen geben.

Die Evaluation ist die Analyse und Bewertung eines bestimmten Gegenstandes. Diverse Methoden sind möglich, um eine Evaluation durchzuführen. Man unterscheidet grob zwischen

  • analytischen Verfahren
    und
  • empirischen Verfahren.

In analytischen Verfahren werden "vorgeschriebene Prüfvorgehen auf der Basis bestimmter Kriterien" [1]. Hier bewerten Experten den entsprechenden, zu untersuchenden Produkt. Man spricht daher auch von "expertenbasierten" Verfahren.

In empirischen Verfahren werden Benutzer zu dem Produkt befragt und/oder beobachtet. Diese Verfahren nennt man daher auch "benutzerorientierte" Verfahren.

Beide Arten werden häufig kombiniert und dienen dazu, unterschiedliche Probleme aufzudecken. Eine Experten-Evaluation vor einem Nutzertest kann Zeit und Geld sparen.

Die Web-Evaluation gehört zu den analytischen Verfahren. Am häufigsten angewandt wird dabei die so genannte Heuristischen Evaluation. Heuristiken sind Regeln und Prinzipien, die Bewertungskriterien für die Untersuchung bilden. Dafür gibt es festgelegte Kriterienkataloge, die ein methodisches Vorgehen erleichtern. Zu den Kriterien gehören idealerweise auch entsprechende Normen wie die Normenreihe DIN EN ISO 9241. Als Informationsdesigner haben wir unsere eigenen Heuristiken entwickelt, die diverse bekannte Kriterien mit Erkenntnissen der Wahrnehmungsforschung, der Didaktik, der Gestaltung und anderen Bereichen vermischen. Ziel ist, ein möglichst umfassendes Bild des zu untersuchenden Produktes zu erlangen, damit die Webseite im Sinne der Benutzer optimiert werden kann. Überprüft werden in der Regel alle für den Benutzer sichtbaren bzw. relevanten Teile der Webseite, also die Gestaltung, die Nutzerführung, die Navigation, der Text, die Funktionalität, die Struktur usw.

Die so genannte Accessibility, das heißt Zugänglichkeit im Sinne der Barrierefreiheit, ist häufig kein Bestandteil einer Web-Evaluation. Der Barrierekompass erläutert - etwas scharf - warum:

Usability kümmert sich gar nicht um Accessibility. Die klassische Usability berücksichtigt nur die Menschen, die nicht in Ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind. Insofern bedeutet Benutzerfreundlichkeit, dass nur "normalen" Menschen mit "normalem" Sehvermögen, "normaler" Intelligenz und "normalen" Körperfunktionen ein effizienter Zugriff auf Informationen und Technik möglich gemacht werden soll.

Barrierefreiheit ist natürlich auch ein Usability-Thema, aber tatsächlich wird es in den gängigen Heuristischen Evaluationen kaum erfasst. Das liegt sicher auch an der Komplexität des Themas. Allerdings setzt sich die Auffassung, dass Barrierefreiheit nicht nur für in irgendeiner Form behinderte Menschen sinnvoll und wichtig ist, langsam immer mehr durch.

Ein weiteres Thema, das durch die Web-Evaluation durch Experten kaum erfasst werden kann, ist die hedonische Qualität. Es gibt spezielle Fragebögen zur Messung der Attraktivität des Produktes auf den Nutzer, aber diese sind natürlich für die Befragung der Nutzer gedacht und gehören deshalb zu den empirischen Verfahren. Dennoch ist die hedonische Qualität ein Faktor, der bei einer Web-Evaluation zumindest bedacht werden sollte: Könnte diese Funktion, dieser Bereich, diese Webseite dem Nutzer Spaß machen? Insbesondere im Web 2.0-Umfeld sind das wichtige Fragen, die vielleicht in Zukunft Einfluß auf die Heuristiken bei der Web-Evaluation haben.
 

 

 

[1] Machate und Burmester (Hrsg.): User Interface Tuning. Benutzungsschnittstellen menschlich gestalten.

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