Der Nutzer ist das Problem - oder was?

Heute wieder einmal erlebt: Das beste System, die benutzerfreundlichste Oberfläche nutzt nichts, wenn die Arbeitsabläufe des Nutzers nicht dazu passen.

In einer Bank gibt es eine Benutzungsoberfläche für die Kundenberater, mit der sie Zugriff auf diverse Formulare etc. haben. Diese können am Bildschirm ausgefüllt und dann ausgedruckt werden. Die Aufgabe: diverse kundenspezifische, typische Vorgänge (z.B. Vollmachten erteilen, Karten beantragen). Zu diesen Vorgängen gehören jeweils auch Arbeitsschritte, die nicht direkt am Computer erledigt werden wie zum Beispiel Ausweise prüfen, ausgedruckte Dokumente abholen, den Kunden unterschreiben lassen. Dinge, die zweifelsohne etwas Zeit brauchen.

Wenn typische Vorgänge Kunden und Berater aber über eine Stunde Zeit kosten, muss man sich fragen, woran es liegt. Manchmal ist ein System so schlecht gestaltet, dass es den Nutzer aufhält - durch komplizierte Eingabemasken, unverständliche Fehlermeldungen, mangelnde Eingabeunterstützungen und so weiter. Manchmal ist aber auch das Drumherum mangelhaft.

Was kann alles schieflaufen? Zunächst mal die Arbeitsweise des Nutzers selbst: sie kann ineffektiv sein. Ein modernes System kann dem Nutzer die Arbeit erleichtern - wenn er es denn zulässt. Sind Nutzer jedoch Arbeitsweisen beispielsweise von vorherigen Systemen gewohnt und übertragen sie diese dann auf eine neue Arbeitsumgebung, funktioniert das oft nicht. Es kann natürlich viele Gründe haben, warum ein Nutzer, statt die Backspace-Taste zu benutzen, in einem Formularfeld ein eingegebenes Zeichen mit der Maus markiert und überschreibt. Vielleicht weiß er nicht, dass es auch anders geht, vielleicht hat er das Gefühl, es geht so schneller. Das kann manchmal sein, vor allem wenn es sich um einen geübten Nutzer handelt. Nutzerfreundliche Systeme bieten mehrere Möglichkeiten an, statt eine einzige Art und Weise vorzuschreiben. Wenn der Nutzer aber so arbeitet und genau diese Arbeitsweise den Prozeß verlangsamt, läuft etwas schief.

Wenn dann beim Ausdrucken der Drucker noch in anderen Räumen steht, kostet das zusätzlich Zeit - vor allem, wenn mehrmals etwas ausgedruckt werden muss und der Nutzer so mehrfach den Raum verlassen muss. Effektiver wäre es natürlich, die Druckaufträge zu bündeln, wenn sie alle zu einem einzigen Arbeitsvorgang gehören. Ist das nicht möglich oder weiß der Nutzer nicht, dass und wie es funktioniert? Dann läuft etwas schief.

Was kann noch dazu beitragen, typische Arbeitsvorgänge zu verlangsamen? Ein paar Ideen, inklusive den bereits vorgestellten:

  • eine ineffektive Arbeitsweise des Nutzers,
  • mangelndes Wissen des Nutzers über die Funktionsweise eines Systems,
  • eine Umgebung, die den Nutzer in seinen Arbeitsabläufen verlangsamt,
  • fehlende Funktionen, um die Arbeit zu erleichtern,
  • eine ineffektive Verwaltung von typischen Arbeitsmaterialien und Dokumenten,
  • keine oder schlechte Informationsweitergabe innerhalb der vorgegebenen Strukturen.
Es ist also nicht immer das - manchmal ja sogar benutzerfreundliche - System selbst, was die Arbeitsabläufe verlangsamt. Usability ist daher ein Prozeß, der sich bei weitem nicht nur auf die Gestaltung von Oberflächen oder auf gute Funktionalität konzentrieren darf. Ohne eine Nutzungskontextanalyse, die den Nutzer selbst, seine Arbeitsweise und seine Arbeitsumgebung einbezieht, wird selbst das beste System scheitern, weil es den Nutzer nicht unterstützt - und im schlechtesten Fall sogar behindert.

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2 Kommentare

"eine ineffektive Arbeitsweise des Nutzers"
Entschuldigung, aber bei diesem Punkt kann ich nicht zustimmen.
Nicht die Ineffektivität des Nutzers ist trägt Schuld an dem Scheitern eines Systems, sondern die Architektur des Sytems trägt die Schuld.
Grüße

Wenn das System schlecht ist, dann kann es schon sein, dass der Nutzer ineffektiv arbeitet, ja. Trotzdem können Nutzer mit miesen Systemen oft ganz hervorragend arbeiten. Aber ein System, dass den Nutzer so weit wie möglich unterstützt, kann dennoch nicht gut funktionieren, wenn davor einer sitzt, der es nicht gut beherrscht. Klar, man könnte jetzt sagen, das liegt daran, dass die Oberfläche nicht intuitiv genug ist. Das ist sicher oft so. Ich will nur sagen, dass man menschliche Faktoren wie (Aus-)Bildung, Vorwissen, Computererfahrung und andere nicht herausrechnen kann, wenn es darum geht, ein System im Ganzen zu betrachten.

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