Trixy Freude: Juni 2008 Archive

Ein Makler ist jemand, der zwei Parteien zum Zweck des Vertragsabschlusses zusammenbringt (und selbst nach Möglichkeit nicht schlecht daran verdient). Schlecht laufen die Geschäfte nicht, allein 2007 verzeichnete die Immobilienbranche überdurchschnittliche Gewinne. Das viele Geld fließt aber offenbar eher in den Erwerb neuer Grundstücke, Häuser und Co. und nicht so sehr in den Marketing-Etat. Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, dass die Webseiten vieler Immobilienmakler ... nun, nennen wir es "vernachlässigt" wirken.

Bei einer Beispiel-Analyse von Stuttgarter Immobilienmaklern kamen jedenfalls alle Arten von unnötigen, weil vermeidbaren, Fehlern und Schwierigkeiten zutage. Eine Auswahl ...

 

1) Bilder? Ich mach mal schnell ...  

 

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Wer kauft schon gerne die Katze im Sack? Leider kann man bei allzu vielen Fotos, die vom Makler selbst geschossen wurden, wenig erkennen – oder das, was man erkennt, ist nutzlos. Im Beispiel oben sollte eigentlich die Gebäudefassade gezeigt werden. Zu sehen ist lediglich ein Baum (ist das japanische Kirsche?), der dekorativ das Haus verdeckt. Hübsch! Abgesehen davon hat das Foto eine denkbar schlechte Qualität, was ebenfalls sehr häufig vorkommt. Wer sich beispielsweise mal die Objektbilder bei den drei größten Immobilienpools im Netz – Immobilienscout24, Immonet und Immowelt – anschaut, die ja zum überwiegenden Teil von Maklern eingestellt werden, merkt schnell, dass die Bilder häufig alles andere als informativ sind. Das kann viele Gründe haben, einer ist jedoch, dass viele Makler offenbar nicht darauf vorbereitet sind, ihre Fotos fürs Web aufzubereiten. Möglicherweise ist es einigen auch zu aufwendig. Bei Mietwohnungen mag das noch ein Kriterium sein, mit dem man sich nicht weiter belasten will, aber wer teure Objekte verkaufen will, muss sich darauf einstellen, dass die Kunden heutzutage erwarten, vorab aussagekräftige Bilder zu sehen.

 

2) Quetschen und Scrollen

 

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Vor dem Bilderschauen steht zunächst mal die Auswahl von Objektart, Ort, Zimmeranzahl und so weiter. Die Möglichkeiten, die Datenbankabfrage in einem Interface für den Nutzer zu gestalten, sind vielfältig – und oft denkbar schlecht gestaltet. Im Beispiel oben sind recht viele Auswahlkriterien möglich. Das gesamte Formular wurde schmal gestaltet, weil der Platz daneben frei bleiben muss, um die Ergebnisse anzeigen zu lassen. Für diese Ergebnisse bleibt dann allerdings auch nicht mehr so viel Platz übrig, weil der Inhaltsbereich der Webseite insgesamt eher schmal geraten ist. In dieses kleinen Formular also wurden sämtliche Informationen hineingequetscht. Um alle zu sehen, muss ziemlich viel gescrollt werden. Ein überflüssig winzig gestaltetes, nervendes Interface.

 

3) Reinstopfen

 

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Platz sinnvoll ausnutzen? Fehlanzeige. Auch hier wird wieder gestopft, was nur geht. Ein Drittel der zur Verfügung stehenden Fläche wird mit einem sinnlosen Bild verschwendet, das nur dem Layout dient. Zwei Drittel verbleiben für den wichtigsten Teil, die Auflistung der zum Angebot stehenden Objekte. Die sind in einen Frame hineingequetscht und dann so großzügig in einzelne Flächen aufgeteilt, dass es mit nur einmal Scrollen nie möglich ist, auch nur ein einziges Angebot komplett zu erfassen. Die Folge? Der Nutzer ermüdet. Ein vernünftiger Überblick über das Angebot ist nicht möglich, eine Sortierfunktion (wie so oft auf den untersuchten Makler-Webseiten) nicht vorhanden. Unglaublich viel Platz wird verschenkt und die wichtigen Informationen werden zusammengedrückt und gestaucht, bis sie halt irgendwie in die Frames passen.

 


4) Wer will das sehen?


Das Kuriositätenkabinett der Makler-Webseiten bietet noch allerhand mehr. Beispielsweise kann man sich hier ein PDF anschauen, das nur aus einer einzigen Seite besteht. Der Anbieter mit dem winzigen Frame bietet ein überflüssiges Flash-Intro, das aber immerhin schnell vorbei ist. Der nächste
nutzt im Angebotsteil Standardschriftgrößen, bei denen man unwillkürlich die Augen zusammenkneift, und so weiter ...

 

Reden wir gar nicht erst von Standardkonformität, ansprechender Gestaltung, passendem Textdesign und ähnlichen Kleinigkeiten. In Bezug auf Benutzungsfreundlichkeit haben die Makler-Webseiten einiges nachzuholen. In erster Linie sollten die Interfaces verbessert werden, mit denen die Nutzer auf die Datenbanken mit den Immobilienangeboten zugreifen können. Oft sind es einfache Maßnahmen, mit denen diese Details verbessert werden könnten. Zugegeben, bei einigen Webseiten sollte viel mehr verbessert werden. Als Fazit bleibt: das Optimierungspotenzial ist groß. Für Webdesigner und Usability-Experten gibt es hier noch einiges zu tun.

 

In der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins brand eins (6/2008) wird die Erfolgsgeschichte von Amazon erzählt. Ein Erfolg, der wesentlich auf Usability beruht – auf der Tatsache nämlich, dass man auf den Kunden gehört und dessen Anregungen umgesetzt hat.

"Wir hörten zu, weshalb die Leute im Callcenter anriefen und was sie wollten. Das ist die Sprache, die man in seiner Bildschirmdarstellung haben will, keinen Jargon."

So die Aussage des früheren Vizepräsidenten für den weltweiten Kundendienst, Bill Price. Der hat schon früh etwas erkannt, was einen elementaren Wettbewerbsvorteil ausmachen kann: Der beste Kundendienst ist kein Kundendienst. Dass Benutzungsfreundlichkeit Kosten reduziert, scheint für viele Unternehmen immer noch ein Geheimnis zu sein, obwohl die Fachliteratur* seit Jahren ausführlich erklärt, wie es funktioniert.

Amazon jedenfalls hat es verstanden. Die Sprache des Nutzers sprechen ist nur ein (wichtiger) Bestandteil einer nutzerfreundlichen Webseite. Intuitive, einfache Bedienbarkeit ist der Schlüssel. 

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Das wiederum funktioniert durch die Konzentration aufs Wesentliche. Was will der durchschnittliche Amazon-Käufer? Etwas finden – darum ist die Suchfunktion an zentraler Stelle im Seitenkopf positioniert. Die gefundenen Ergebnisse werden dann kompakt und mit allen relevanten Informationen präsentiert:

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Mehr Informationen liefert ein Klick auf das Bild oder die Links, die deutlich erkennbar sind.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – die nur leider noch nicht in vielen Online-Shops angekommen ist. Diese einfachen Zutaten, zusätzlich versehen mit erwartungskonformer Platzierung aller relevanten Details wie z.B. dem Warenkorb, machen ein nutzerfreundliches Design aus.

Design ist allerdings nur ein Baustein. Wirklich benutzungsfreundlich ist ein Shop dann, wenn die Bestellung leicht und unkompliziert funktioniert. Amazon-Kunden wissen, dass kaum etwas im Netz so entspannt läuft wie ein Einkauf beim Branchenriesen. Außerdem kann der Verbleib jeder einzelnen Bestellung sehr einfach nachvollzogen werden.

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Transparenz, Struktur, Textauszeichnungen, Gruppierung von Elementen, Schriftgrößen und Metaphern: bei Amazon funktionieren all diese Elemente, weil sie sorgfältig konzipiert wurden. Das und die wirtschaftliche Expansion machen den Erfolg aus. Zufriedene Amazon-Kunden, die zunächst nur Bücher kaufen, kaufen später häufig auch diverse andere Waren bei Amazon, weil Suche, Auswahl und Kaufabschluß hier unkomplizierter sind als in vielen anderen Online-Shops.

"Was bei allem Wandel unverändert bleibt, ist der Fokus auf den Kunden."

 

 Diese Nutzerorientierung hat aus einem kleinen Online-Buchhändler eine große Erfolgsgeschichte gemacht. Viele Web-Unternehmen und insbesondere Shop-Betreiber könnten von Amazon lernen.

 

* vgl. beispielsweise "Cost-Justifying Usability" von Bias u. Mayhew.